E-Piano

E-Piano
E-Piano,
 
elektromechanisches oder elektronisches Tasteninstrument, das in der Rock- und Popmusik, zum Teil auch im Jazz die (vorwiegend rhythmische) Funktion des Klaviers übernimmt, wobei das Klangergebnis normalerweise vom originalen Klavierklang abweicht. Doch gerade diese Bereicherung des Sounds, der durch elektronische Schaltungen zusätzlich verfremdet werden kann, hat zur großen Verbreitung einiger Modelle geführt. Die Vorzüge eines E-Pianos gegenüber dem herkömmlichen Klavier oder Flügel kommen vor allem im Liveeinsatz zur Geltung. Sie bestehen in den geringen Abmessungen des Instruments, somit besserer Transportierbarkeit, in konstanter Stimmung (außer bei Instrumenten mit Saitenbezug) und den weitaus unkomplizierteren Anschlussbedingungen bei der elektroakustischen Übertragung. Verschiedene Tonerzeugungsprinzipien kommen zum Einsatz. Zunächst begann man, flügelähnliche Instrumente mit Saitenbezug (oft nur mit einer Saite pro Halbton) und modifizierter Hammermechanik, jedoch ohne Resonanzboden zu konstruieren. Die Schwingungen der metallenen Saiten wurden durch Tonabnehmer in elektrische Wechselspannung umgewandelt, verstärkt und über Lautsprecher hörbar gemacht. Bereits 1921 entwickelte Benjamin Franklin Missner (1890-1980) einen Tonabnehmer für Klavier. Gemeinsam mit E. T. Jacobs entwarf er 1930/31 in Millburn ein Electronic Piano (mit Saitenbezug), das in verschiedenen Versionen bis in die Vierzigerjahre gebaut wurde. Im gleichen Zeitraum erlangte in Deutschland der Neo-Bechstein-Flügel Bedeutung, entwickelt 1928-30 von Hermann Walther Nernst (1864-1941) in Zusammenarbeit mit Oskar Vierling, S. Frankó und H. Driescher und produziert von 1931 bis ca. 1940 von Bechstein, Berlin (Elektronik von Siemens ' Halske). Dieses Instrument enthielt für jeweils fünf Halbtöne einen Tonabnehmer und zeichnete sich durch verlängerte Nachklingzeiten aus. E-Pianos mit Saitenbezug konnten in den folgenden Jahrzehnten mechanisch und elektrisch vervollkommnet werden. Sie finden vor allem dann Verwendung, wenn trotz elektrischer Verstärkung der natürliche Klavierklang mit der typischen differenzierten Spielweise (Anschlagsdynamik, Dämpfung) angestrebt wird. Moderne Instrumente enthalten piezoelektrische Tonabnehmer und ähneln in der Form einem Stutzflügel, was sich auch in der Bezeichnung Electric Grand Piano niederschlägt (z. B. das Modell »CP 80« von Yamaha). Ein eigenständiges, in der Mechanik dem Clavichord ähnelndes E-Piano, das Clavinet der Firma Hohner, Trossingen, fand in den Siebzigerjahren Verbreitung.
 
Bei einer Reihe von E-Pianos treten metallene Zungen oder Klangstäbe an die Stelle des traditionellen Saitenbezugs. Die mechanischen Schwingungen bleiben, da kein Resonanzkörper vorhanden ist, fast unhörbar, werden jedoch von Tonabnehmern abgetastet und anschließend elektrisch verstärkt. In der Mechanik (Hammermechanik, Dämpfer) lassen sich diese E-Pianos zwar mit dem Klavier vergleichen, ihr Klang ähnelt aber eher dem einer Celesta oder eines Glockenspiels. Unter der Bezeichnung Pianotron wurde ein derartiges Instrument seit 1938 bis Mitte der Siebzigerjahre von der Firma Selmer, London, produziert. Ähnliche Entwicklungen aus den Fünfzigerjahren stammen von Lloyd Loar (Clavier, produziert von Acousti-Lectric Co., Kalamazoo/USA seit 1954), Benjamin Franklin Miessner (Wurlitzer-Piano, produziert von Wurlitzer Co., North Tonawanda/USA seit Anfang der Sechzigerjahre) und Harold Rhodes (Fender-Rhodes-Electric-Piano, produziert von Rhodes Keyboard Instruments, Santa Ana, Fullerton/USA, seit 1965).
 
Den originalen Klavierklang auf rein elektronischem Wege nachzubilden, bereitet aufgrund der klanglichen Differenziertheit des Originalinstruments (voller, obertonreicher Klang mit langem Sustain im Bass, schnell abklingend, dünn und spitz in hohen Lagen, großer Tonumfang, Anschlagsdynamik) Schwierigkeiten. Der Hüllkurvenverlauf (Hüllkurve) und das Obertonspektrum muss den verschiedenen Tonlagen angepasst werden, die Lautstärke und bis zu einem gewissen Grad auch die Klangfarbe (Schärfe, Fülle) sollten entsprechend der Stärke des Tastendrucks variabel sein (Anschlagsdynamik). Diese Bedingungen können einfache vollelektronische Pianos nicht erfüllen. So erlangten die zahlreichen, auf der Basis von Muttergeneratoren (E-Orgel) arbeitenden Instrumente in den Siebzigerjahren nur vorübergehend Bedeutung, obwohl sie von fast allen Herstellern von E-Orgeln und Synthesizern angeboten wurden. Eine klavierähnliche Klangeinstellung lässt sich auch auf den meisten E-Orgeln abrufen, während man mit vielen E-Pianos auch andere Instrumente (z. B. Cembalo, Banjo, aber auch Streicher) imitieren und verschiedene Effekte (z. B. ein verstimmtes Honky-Tonk-Piano) erzeugen kann. Das Prinzip des Analogsynthesizers (Synthesizer) oder die Klangsynthese durch Frequenzmodulation gestatteten zwar lebendigere und differenziert programmierte Klänge, jedoch beschränkten sich die klaviertypischen Sounds in des Regel auf eine begrenzte Tonlage. Erst das Soundsampling (Sampling) eröffnete neue Möglichkeiten. Digital gespeicherte Klavierklänge (PCM-Sounds) weisen bei günstigen Aufnahme- und Wiedergabebedingungen keine Unterschiede zum Originalinstrument auf, zumal bei entsprechender Programmierung der Anschlagsdynamik auch ein klaviermäßiges Spiel möglich ist (Digital Piano ). Um einen typischen Klang zu erzielen, werden auf verschiedenen, mehr oder weniger dicht beieinander liegenden Tonstufen in allen Lagen Aufzeichnungen vorgenommen (Multisampling). Im Prinzip lässt sich jeder Sampler oder Synthesizer auch als E-Piano betreiben, jedoch ist diese Bezeichnung für ein solches Instrument unangebracht, da die klanglichen Möglichkeiten weit darüber hinausreichen und lediglich von der Programmierung abhängen. Selbst die als Piano-Soundmodule angebotenen speziellen Expander verfügen über weitere Klangeinstellungen.
 
In der musikalischen Praxis trifft man oft keine konkrete Unterscheidung zwischen Klavier und E-Piano. Titel, die im Studio mit einem Klavier produziert wurden, realisiert man live mit einem E-Piano oder einem Synthesizer, sofern eine elektroakustische Übertragung erforderlich ist. Neben seiner rhythmischen Begleitfunktion kommt das E-Piano vor allem im Bereich des Jazz auch als Soloinstrument zur Geltung. So gilt u. a. Chick Corea (* 1941), der bereits auf den LPs »Filles De Kilimanjaro« (1969) und »Bitches Brew« (1970) von Miles Davis gemeinsam mit Herbie Hancock (* 1940) bzw. Joe Zawinul (* 1932) E-Piano spielte, nach wie vor als weltweit anerkannter Spezialist auf diesem Instrument. Auch bei verschiedenen Rockgruppen trug das E-Piano zur Soundgestaltung bei, jedoch selten so maßgeblich wie bei Supertramp (z. B. LP »Breakfast in America«, 1979).

Universal-Lexikon. 2012.

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